Bald zeigte sich auch am westlichem Horizont der weit in die See vorspringende Felsenberg, welcher das stolze Fort Monjuy auf seinem Scheitel trägt, und nicht lange, so tauchten an seinem Fuße die Thürme und Paläste von Barcelona aus den azurnen Fluthen des Mittelmeers empor. Um halb 9 Uhr rollte der Anker im Hafen von Barcelona hinab und wir warteten nun geduldig auf die Erlaubniß, ans Land steigen zu dürfen. Es dauerte auch nicht lange, so näherten sich zwei große, mit einer Menge von Ruderern bemannte Boote unserm Schiffe, von denen jedes die roth und gelb gestreifte, mit dem königlichen Wappen gezierte Flagge von Spanien führte. Das eine brachte die Douane, das andere die sogenannte „Sanidad“ oder Policei an Bord. Letztere hat jedenfalls ihren Namen davon, daß sie ursprünglich blos darüber zu verfügen hatte, ob ein Schiff Quarantäne halten müsse oder nicht; jetzt hat sie zwar auch noch diese Function, vereinigt aber zugleich alle policeiliche Gewalt. Der Sanitätsbeamte stieg an Bord und nahm die Pässe sämmtlicher Passagiere in Beschlag, während die „Carabineros“ oder Douanesoldaten alle Zugänge des Dampfschiffes besetzten, um jedwede Art von Contrebande zu verhindern. Während unser Capitän beschäftigt war, den spanischen Beamten über Namen, Vaterland und Stand eines jeden seiner Passagiere zu unterrichten, hatte ich Muße, das Gemälde zu betrachten, welches vor mir aufgerollt lag. Barcelona macht vom Hafen aus einen durchaus großartigen Eindruck. Zur Linken thürmen sich die gewaltigen Felsen von Monjuy empor (nicht Montjuich , wie es gewöhnlich fälschlich geschrieben wird), einer durch ihre isolirte Lage uneinnehmbaren Feste, von deren furchtbaren Wällen die spanische Flagge herabweht; rechts liegt ein dichter Wald von Masten und hindert die Ansicht von Barceloneta, einer als Hafenort dienenden Vorstadt, während den Hintergrund der hohe Wall der Muralla del Mar (Seemauer) mit einer stolzen Reihe prächtiger Gebäude begränzt, hinter denen die meist abgestumpften Thürme der Stadt emporsteigen, überragt von einem grünem Kranz schön geformter, mit Wällen und Dörfern bestreuter Hügel.

Endlich waren alle Formalitäten beseitigt, ich sprang in eines der rings um das Schiff haltenden, von gebräunten Cataloniern geführten Bööte und betrat um halb II Uhr zum erstem Male den spanischen Boden. Aber gleich hier mußte ich Lehrgeld geben, wie auch meine Gefährten, sämmtlich Franzosen. Wir hatten nämlich versäumt, mit den Bootsleuten zu accordiren, oder dies vielmehr aus Unkenntniß mit der Sprache nicht thun können, da wir von ihrem verdammtem Catalonisch, welches die Castilianer selbst nicht verstehen, keine Silbe begriffen. Als sie uns in terra firma hatten, forderten sie unverschämte Preise und wir bezahlten, um die Kerls nur los zu werden, von denen einer immer lauter schrie als der andere und die uns mit wilden Gebährden, halb nackt, ihre buntwollene Decke malerisch um die broncefarbenen Schultern geschlagen, auf welche die rothe lange Sackmütze von ihrem schwarzhaarigem Kopf herabhing , umringten und uns keinen Schritt vorwärts thun ließen, bevor wir ihrem Verlangen nicht gewillfahrt hatten. Als dieser lärmende Auftritt vorüber war, stieg ich in eine der am Quai haltenden, „Tartanas“ und ließ mich im schnellstem Trabe nach Barcelona hineinfahren. Diese Tartanen sind eigenthümliche zweirädrige, mit einer meist buntbemalten Plane von Wachstuch überspannte Karren, die im Innern mit zwei gepolsterten Bänken nach Art unserer Omnibus versehen und manchmal ziemlich elegant eingerichtet sind. Da aber der Wagen unmittelbar auf der Axe befestigt ist, so glaubt man bei raschem Fahren und auf gepflastertem Wege in Stücke gehen zu müssen. Jede Tartane wird durch ein in einer Gabeldeichsel gehendes Pferd gezogen und der Kutscher sitzt auf einem kleinem Tritte, welcher an der Deichsel angebracht ist, und läßt die Beine frei zwischen die Räder hinabhängen.

Man ist in Deutschland sehr geneigt, über Spanien und seine Bewohner sehr ungünstig zu urtheilen. Da gilt Spanien allgemein als ein verwildertes Land, seine Bewohner als ungebildete, der bloßen Sinnlichkeit ergebene, von eitlem Stolz aufgeblasene Menschen, welche nichts zu thun haben, als Revolutionen anzuzetteln und sich gegenseitig todtzuschlagen; — da denkt man, daß Handel, Industrie und Gewerbe gänzlich darnieder liegen, von Wissenschaften und Künsten gar nicht zu reden; ein völlig anarchischer Zustand herrsche, Jeder thue, was ihm beliebe u. s. f. ; und viele dieser strengen Urtheile stellt man als apodictische Wahrheiten hin und schämt sich nicht, dieselben nachzusprechen, ohne zu bedenken, daß man weder das Land noch das Volk kennt und daher im Wahne, als sei Deutschland das einzige Land, wo die Weisheit und Erleuchtung ihren Sitz habe, von spanischen Zuständen redet wie der Blinde von der Farbe! — Auch ich kam erfüllt von mancherlei Vorurtheilen nach Barcelona und betrat mit einer Art innern Schauders den blutgetränkten Boden Spaniens. Wie sehr aber war ich erstaunt, als ich durch das Seethor in die Stadt hineinfuhr und die schöne Plaza del Palacio erblickte, umringt von zum Theil sehr modernen Gebäuden, von denen ein jedes ein fürstliches Schloß sein könnte; als ich überall reich ausgestattete Bazars und Waarenlager, glänzende Cafés, elegante Hotels sah; als ich die von hohen balcongezierten Häuser eingefaßten mit behauenen Steinen zierlich gepflasterten Straßen betrachtete, in denen ein lebhaftes Volksgewühl die Symptome eines ausgebreiteten Welthandels zeigte; als ich allenthalben Fabriken mit Dampfmaschinen, Gasbeleuchtung, kurz, alles Mögliche, was nur die Civilisation unserer Zeit hervorbringen kann, gewahrte; und das in einer Stadt, die noch vor Kurzem der Schauplatz blutiger Kämpfe gewesen war, wo noch halb in Ruinen liegende Häuser Zeugniß von der zerstörenden Wirkung der Bomben Esparteros ablegten!

Meine Bewunderung stieg aufs Höchste, als meine Tartane in die Hauptstraße Barcelonas , die prächtige Rambla einbog, die an die Boulevards von Paris erinnert. Sie ist nämlich eine sehr breite, fast schnurgerade über eine Viertelstunde lange Straße, welche beinahe von einem Ende der Stadt zum andern geht, in der Mitte eine breite Allee von jetzt eben in voller Blüthe stehenden Akacien (Robinia Pseudacacia L.) besitzt und auf beiden Seiten mit einer Reihe zum Theil sehr schöner Häuser eingefaßt ist. Alle Häuser in Barcelona haben „Azoteas“ oder platte Dächer und drei bis vier Reihen Balkons, je nach der Zahl der Stockwerke. Kaum hatte ich ein Zimmer in dem hier liegenden Hotel de l’Orient bezogen, als mich eine volltönige Militärmusik auf den Balkon rief. Ein Regiment Infanterie zog die Rambla hinab zur Parade und ich war nicht wenig überrascht, anstatt zerlumpter Soldaten, wie man sich das spanische Militär im Auslande gewöhnlich denkt, brillant equipirte und wohldisciplinirte Truppen vorüberziehen zu sehen, welche eine ebenso stattliche Haltung hatten als wie die besten französischen Truppen, die ich in Marseille bei der Revue am Namenstage des Königs gesehen hatte.

Da ich bereits den folgenden Morgen wieder an Bord des Phenicien gehn mußte, um meine Reise nach Valencia fort zusetzen, so verwendete ich die wenigen Stunden, welche mir vergönnt waren, am Lande zuzubringen, um mich flüchtig über die Lage und die nächsten Umgebungen der Hauptstadt Cataloniens zu orientiren. Kein Punkt ist hierzu geeigneter, als der Berg des Fort Montjuy. Eine bequeme, Anfangs zwischen Gemüsegärten hinführende Straße windet sich sanft ansteigend in vielen Zickzacks zu dem Fort hinan, in welches man nur mit specieller Erlaubniß des Generalcapitäns eingelassen wird. Wer aber blos der Aussicht wegen hinaufgeht, hat nicht nothwendig, sich in die Festung hineinzubegeben , da man außerhalb der Wälle ebenso viel sieht. Das Panorama, welches sich von hier aus den Blicken eröffnet, ist außerordentlich schön. Die ganze volkreiche Stadt mit ihrer starkbefestigten Citadelle, der Hafen mit seinen zahllosen Schiffen, Barceloneta mit seinen Promenaden liegen tief unter den Füßen des Beschauers und wohin sich das Auge wendet, erblickt es nichts als grüne, von Getreidefeldern und Fruchtbaumplantagen erfüllte Niederungen und Rebenhügel, zwischen denen eine Menge wohlhabender Ortschaften, zerstreuter Fabriken, von deren hohen Essen überall der Rauchwimpel der Civilisation herabflattert, und von Parkanlagen und Blumengärten umringte Landsitze hervorblinken. Selbst die dürren und steilen Abhänge des Castellberges sind terrassirt und von Weingeländen bekleidet, welche zum Theil von Hecken der großen Aloe und der indianischen Feige umschlossen werden, die ersten die ich erblickte und deren starre fremdartige Formen einen eigenthümlichen Eindruck auf uns Nordländer machen. Lange betrachtete ich diese von einem wolkenlosem Himmel, von dem die spanische Maisonne so heiß herabbrannte wie die deutsche im Juli, überspannte Gegend, die auf der einen Seite von einem weitem Halbkreis dufligblauer Berge, auf der andern von dem glänzendem Spiegel des Meeres umsäumt wird, dessen Wellen träge an den blendendweißen Küsten hinaufrollten und sah den in den Weinbergen während der brennenden Mittagsgluth unablässig arbeitenden Landleuten zu, deren fremdartige Tracht meine Aufmerksamkeit nicht wenig erregte. Sie tragen nämlich meist blos ein Hemd und weite lange Beinkleider von gestreiftem Wollenzeug, sowie eine dicke rothwollene Schärpe um den Leib. Strümpfe scheinen sie nicht zu kennen, sondern schützen die Füße mit aus Esparto, einer Art zähen Grases geflochtenen Sandalen, welche durch Schnüren oberhalb der Knöchel befestigt werden. Den Kopf bedecken sie stets mit dem gewöhnlich rothem, seltner violettem „Gorro“, einer sackartigen Zipfelmütze von dickem Wollenzeug, die häufig so lang ist, daß sie ihnen bis aufs Kreuz hinabhängt, gewöhnlich aber nach vorn zusammengeschlagen wird, so daß blos das zusammengerollte Ende über die Stirn herabnickt. Außerdem schleppen sie stets eine dicke wollene, roth, gelb und grün gestreifte, mit Troddeln verzierte „manta“ oder Decke von viereckiger Gestalt mit sich herum, die ihnen als Schutzmittel gegen Regen, Kälte und Hitze dient und welche sie sehr malerisch um den Oberkörper zu schlagen wissen.

Da mich meine Reise zwei Jahre später wieder nach Barcelona auf mehrere Wochen zurückführte, so will ich eine genauere Schilderung der Stadt und ihrer Bewohner hier unterlassen. Nur über das Theater will ich noch einige Worte hinzufügen. Nachdem ich die vorzüglichsten Promenaden, unter welchen sich namentlich die herrliche achtfache, mit Bänken und. Marmorfontainen geschmückte Ulmenallee des Paseo nuevo auszeichnet, in Augenschein genommen hatte, eilte ich bereits bei anbrechender Nacht nach dem an der Rambla gelegenem Teatro principal, dem erstem Theater von Barcelona und einem der schönsten und besten in ganz Spanien. Auf der Rambla wogte eine unübersehbare Menschenmenge auf und nieder, denn hier versammelt sich im Sommer nach Untergang der Sonne die elegante Welt „para tomar el fresco“, um sich an der Seeluft zu erfrischen und von den Geschäften des Tages zu sprechen. Die Gesellschaft war außerordentlich bunt. Jn feinste französische Tracht gekleidete Herren, brillante Uniformen, elegante Damen im französischem Hut oder, wiewohl seltner, in der nationalen kleidsamen Mantilla, einfach gekleidete „Payesas“ oder Landbewohnerinen (aber nicht Bäuerinen) mit ihren weißen mantillenartigen Tüchern, vierschrötige Seeleute in ihrem bequemen Anzuge, kräftige catalonische Bauern, Alles drängte sich durch einander und wogte lebhaft schwatzend und Cigarren rauchend auf und ab; — und wirklich bot diese bunte, vielfach bewegte Menschenmasse im Schatten der blühenden wohlriechenden Akacien, beleuchtet von einer Menge hellstrahlender Gaslaternen, einen höchst interessanten Anblick dar. Das Haupttheater von Barcelona gehört zu den größten von Spanien. Wie in allen spanischen Theatern enthält das Parterre blos Sperrsitze, die sehr bequem sind und das Gute haben, daß niemals ein solches Gedränge entstehen kann, wie bei unsern und an den französischen Theatern. Drei bis vier Reihen Logen umschlossen die Seiten des weiten, glänzend erhellten Schauspielhauses. In Barcelona herrscht viel Sinn für Schauspiel und Oper und es vergeht kein Abend, wo nicht alle Theater der Stadt gefüllt wären. Es wurde eine Oper, ich weiß nicht mehr welche, von einer hier stationären italienischen Operngesellschaft sehr brav gegeben, so daß ich vollkommen befriedigt das erste spanische Theater verließ.

aus Moritz Willkomm: Zwei Jahre in Spanien und Portugal, 1847

Der Kaffeeautomat in meinem Hotel funktioniert nicht, also mache ich mich so auf den Weg. Im nächsten Dorf Canovelles ist Markt. Die Gemüse- und Früchtehändler sind schon alle bereit (es ist halb neun), andere stellen gerade ihre Stände auf. Der Markt zieht sich sicher 1 km der Strasse entlang. An dieser Strasse kriege ich auch meinen Kaffee in einer urigen Bar, der Preis ist unschlagbar: 1 Milchkaffee (gut), 1 Buttergipfel (fein!) und eine kleine Flasche Wasser kosten gerade mal 2.60 €. Bald bin ich wieder auf einem Radweg, wieder entlang der Strasse oder einem Gewässer, manchmal etwas ruppig, aber immer weg vom Verkehr. Die Route ist als Bicivia 8 markiert, später auch als Bicivia 7. Jetzt bin ich auf Stadtgebiet, aber immer ist der Radweg deutlich getrennt. Einmal hat es sogar eine Trinkwasserstation. Ich komme nach Barcelona, mache nochmals Pause mit Wasser und Glacé und fahre durch die ganze Stadt hindurch, vorbei an der Basilica de la Sagrada Familia von Gaudi. Weiterhin gibt es einen abgetrennten Radweg. Man braucht halt etwas Geduld, weil es alle 100 m ein Lichtsignal hat. Und auf die Touristen sollte man auch Acht geben. 

Während Moritz Willkomm trotz seines kurzen Aufenthaltes noch Zeit fand, auf den Montjuic zu steigen und das Theater zu besuchen, verzichte ich auf touristische Aktivitäten und setze meinen Weg fort. 

Es lohnt sich aber, seinen Bericht zu lesen, vor allem seinen Kommentar zu Vorurteilen finde ich bemerkenswert. Gilt auch heute noch!

Zwei Kreisel habe ich heute auch wieder fotografiert, einer hatte auch so ein Industrieteil wie der von gestern, im zweiten standen Skulpturen. Es bleibt urban, ich komme nach Castelldefels und fahre zu meinem Hotel. Ich brauche dringend eine Wäscherei, die ist auch ganz in der Nähe, und nach einer Stunde sind meine Kleider wieder sauber und trocken. Der Ort ist voll von Strandtouristen mit dem üblichen Angebot, ich werde wohl nicht in den Ausgang müssen.