Heute will ich wieder mal rennen, aber wo? Auf Google Maps sehe ich in meiner Wohngegend einen möglichen Rundkurs, mal schauen, wie es mit dem Verkehr steht.

Am Anfang geht es durch ruhige, von Bäumen gesäumten Nebenstrassen. Dann erreiche ich die verkehrsreich Hauptstrasse. Wie immer in Indien gibt es entweder kein Trottoir, oder es ist nicht benutzbar, weil der Belag aufgerissen, Bauschutt abgelagert oder Autos parkiert sind.

Bald kann ich wieder links abzweigen und folge dem Bahngleis. Dabei lande ich aber beim Tor einer Schule. Ich erkundige mich, ob ich da rein dürfe. Es sei schon ok, auf der anderen Seite gäbe es wieder ein Tor hinaus.

Nach 100 m liegt ein grosser Sportplatz vor mir, welcher für Cricket und Fussball genutzt werden kann. Da ergibt sich eine schöne Runde von 550 m. Die mache ich ein paar Mal, besser im Kreis herum, als den wilden Rikschas ausweichen.

Als sich bald 10 km abzeichnen, mache ich mich auf den Heimweg. Ich bin froh, dass ich rausgegangen bin. Ich war skeptisch, ob ich eine einigermassen angenehme Strecke finden würde, und siehe da, es war fast Luxus (und ich schätze umso mehr, was wir zuhause vor der Haustüre haben). Manchmal muss man einfach beginnen, das weitere ergibt sich.

Nach Dusche und Frühstück mache ich mich auf die Suche nach einem legendären Buchladen, Higginbothams heisst er und ist gut 4 km entfernt. Ich wandere gemütlich hin und versuche, mein Tempo zu drosseln um nicht innert Kürze tropfnass zu sein. Da hilft aber nichts, es ist zu heiss und feucht.

Higginbothams befindet sich in einem 1904 erstellten Gebäude und ist Indiens älteste Buchhandlung (seit 1844). Das Gebäude ist im kolonialen Stil, weitere Bauten aus der Kolonialzeit finden sich an derselben Strasse. Der Laden wirkt leicht verfallen und hat eine tolle Athmosphäre.

Ich suche das Buch Karmayogi: A Biography of E. Sreedharan, über den Erbauer der indischen Metro. Ein Angestellter hilft mir, sucht zuerst im Bestand, dann ob er es für mich bestellen kann. Leider ist es beim Lieferanten zur Zeit nicht lieferbar.

Dafür finde ich ein Buch über die hindustanische Musik. Das kaufe ich. Beim Stöbern lerne ich schon mal, dass die hindustanische Musik die klassisch nordindische ist, während man die südindische Musik als karnatisch bezeichnet. Diese habe ich ja schon kennengelernt.

Jetzt habe ich Hunger und suche in der Nähe ein Restaurant. Da ich nichts Passendes finde, nehme ich ein Taxi zum Restaurant Kailash Parbat, wo ich bei meiner Ankunft gegessen habe.

Die Kalakshetra Foundation wurde 1936 durch Rukmini Devi gegründet als Zentrum zum Studium und zur Aufführung der Künste und auch zur Erziehung der Jugend. Die schöne, parkähnliche Anlage liegt auf 100 acres nahe am Meer.

Im Konzertgebäude besuche ich die Aufführung mit hindustanischer Musik. Es spielen Ustad Amjad Ali Khan, Amaan Ali Bangash und Ayaan Ali Bangash, Sarod. Begleitet werden sie von Tabla und Mridangam. Die Namen dieser Musiker habe ich leider nicht verstanden.

Das Stimmen der vielsaitigen Instrumente dauert, dann beginnt ein spannendes Konzert. Auf langsame Melodien folgen virtuose Einlagen. Auch in dieser Musik wird viel mit Imitation gearbeitet. Es kommt mir wie ein Spiel vor, wie schnell der Partner ein Motiv nachspielen kann.

26.2.2020