Schon um halb vier Uhr Nachmittags verließ ich Straßburg und eilte auf der elsasser Eisenbahn der freien Schweiz entgegen. Genannte Bahn ist eine der unterhaltendsten, die ich kenne. Sie geht nämlich längs des romantisch zerrissenen Waldgebirges der Vogesen hin mit ihren zahllosen dunkeln Felsenthälern und malerischen Burgen und bietet daher jeden Augenblick andere, pittoreskere Ansichten. Dabei ist das Land selbst, durch welches die Bahn gelegt ist, ein wahrhaft gesegnetes und jeder Deutsche, dem die Ehre seines Vaterlands am Herzen liegt, muß sich schämen, daß seine Fürsten die günstige Gelegenheit von 1815 nicht besser benutzt haben, um diese Perle der alten deutschen Kaiserkrone wieder zu gewinnen. Jetzt dürfte es freilich zu spät sein, denn die Elsasser möchten sich unter der französischen Herrschaft mit ihren freien Institutionen wohl glücklicher fühlen als unter dem deutschen Duodezregiment.
Da Moritz Willkomm in Strassburg vom Schiff auf den Zug umgestiegen ist, verlasse auch ich den Rhein und habe mir eine Route entlang der Bahnstrecke Strassburg – Basel ausgesucht. Interessant ist, dass diese Eisenbahn-Linie im Jahre 1844 gerade fertig geworden war (der Abschnitt St. Louis – Basel kam erst 1846 dazu.) Willkomm war also einer der ersten Reisenden auf dieser Strecke.
(Auch auf seiner Schiffsreise von Mainz nach Strassburg war er auf einem neueren Raddampfer unterwegs gewesen, die Graf von Paris wurde im Oktober 1838 in Dienst gesetzt.)
Auf Radwegen verlasse ich Strassburg, meist auf idyllischen Pfaden entlang dem Wasser, aber auch manchmal an verkehrsreichen Strassen (aber immer abgetrennt). In Fegersheim finde ich eine Bäckerei, welche auch Kaffee serviert, darum wird auf dem Kirchplatz gefrühstückt. In Huttenheim ist mein Weg wegen einer Baustelle gesperrt, ich brauche sicher 20 Minuten, bis ich nach unzähligen Sackgassen endlich die Verbindung zu meiner Route gefunden habe (es ging durch einen Hof hindurch).
Jetzt rücken die Vogesen näher, die Hügel, Täler und Burgen sind deutlich zu erkennen, während im Osten der Schwarzwald, der ja auch weiter weg ist, nur in dunstigen Umrissen zu orten ist.
In Ebersheim steht eine Kirche wie aus einem Hitchcock Film, wunderschön morbid.
Sélestat ist ganz hübsch, charaktervolle Gebäude und auch einige Besucher. Es ist zwar erst 11.30, aber das Essen im L’île au Poké sieht gut aus, also mache ich Mittagspause. Poké sei ein hawaiianisches Gericht, welches Wurzeln in der japanischen Küche hat, lehrt mich Wikipedia. Ich lass mir’s schmecken.
Ich fahre durch Reben und Obst- und Beerenplantagen, in Rouffach fasziniert mich der Ancien couvent des Récollets, ist aber nicht zugänglich. Es ist jetzt hügelig, also anstrengender zu fahren, dazu bläst seit Stunden ein starker Wind. Von vorne, natürlich. Langsam werde ich müde und bin froh, nach 16 Uhr in Soultz Haut-Rhin anzukommen.