Erstes Kapitel
Seereise nach Spanien
Mit dir, mein Schifflein, durch den Schaum
Der Fluth froh will ich ziehn;
Mir gleich, nach welches Landes Raum,
Nur nicht nach meinem hin!
Willkommen, willkommen, tiefblaues Meer,
Und ist die Fahrt vollbracht,
Willkommen, ihr Höhlen, ihr Wüsten umher,
Mein Heimathlmd — gute Nacht! —
Byron, Childe Harold
Graues Gewölk bedeckte den Himmel, ein lauer Südwestwind, bisweilen zu momentanen Stößen anschwellend, wühlte die durchsichtigen Fluthen des Mittelmeeres auf und trieb langgestreckte Wellen in den Hafen von Marseille, die sich wild an den felsigen Grundlagen der Küste brachen und ihren silbernen Schaum weit an den ehernen Wällen der Hafenforts emporspritzten ; als ich am Morgen des 2. Mai früh um 7 Uhr mich an Bord des französischen Dampfschiffes „le Phénicien“ begab. Eine Einschiffung hat immer ihre unangenehmen Seiten, besonders das erste Mal, wo man an all diesen Lärm noch nicht gewöhnt ist; später hatte ich darin eine solche Routine erlangt, daß es mich wenig verschlug, mich ein halb Dutzend Male an einem Tage ein – und auszuschiffen. Die Policei, die Douane, das Miethen des Boots, die babylonische Verwirrung auf dem Verdeck, wo das Gepäck sämmtlicher Passagiere wild durcheinander liegt, die ein jeder in seiner Landessprache nach besten Kräften fluchend und raisonnirend ihre Effecten bergen wollen; das Hin – und Herrennen der Matrosen u.s.w., Alles dies bildet ein Ensemble, geeignet, Einem schier den Kopf zu verdrehen und Schwindel zu verursachen, bevor man noch den Hafen verlassen hat. Endlich war dies Alles glücklich überstanden, einem jeden der Reisenden seine Coje angewiesen und um 8 Uhr erscholl der willkommene Ton der Schiffsglocke; das Gangspill hob knarrend unter dem taktmäßigem, etwas unharmonischem Gesange der Matrosen den Anker empor, die Räder griffen brausend in die Salzfluth und majestätisch schwebte unser gewaltiges Schiff hinaus zum Hafen von Marseille. Die See ging in Folge des mehr und mehr sich erhebenden, uns gerade conträren Windes etwas hoch, und kaum hatten wir das nackte Felseneiland des Chateau d’If mit seinem alterthümlichem Schlosse passirt, als unser Schiff auf den azurnen von blendend weißen Schaumkronen bedeckten Wellenhügeln lustig zu tanzen anfing. Es war meine erste Seereise, auf welche ich mich längst gefreut hatte; allein die Bewegung des Schiffes, namentlich wenn es von dem Kamme einer Welle plötzlich eine Klafter tief hinabglitt, wollte mir gar nicht gefallen, indem ich dem Gesetze der Trägheit gemäß meine frühere Stellung zu behaupten strebte und es mir, so oft das Schiff sank, vorkam, als solle ich eine Himmelfahrt versuchen, was ein unangenehm kriebelndes Gefühl von den Zehen bis zum Wirbel hervorbringt. Um dies zu vermeiden, begann ich mich im Gehen zu üben, beschrieb aber sonderbare Curven auf dem Verdeck und rannte häufig einen der Mitreisenden, die ähnliche Studien machten, zum großem Ergötzen der Matrosen über den Haufen. Einige Italienerinen, die eben noch ganz ausgelassen gescherzt hatten, wechselten die Farbe und suchten vergeblich gegen das unabwendbare Geschick zu kämpfen. Sie mußten sich drein ergeben, die ersten zu sein, welche dem allgewaltigem Gott der Meere ihren Tribut zahlten. Bald bedeckten sich die Bänke mit Opfern der Seekrankheit, die unempfindlich gegen Alles, was um sie vorging, in Mantel und Decken gehüllt, geistlos vor sich hinstarrten, und als die Schiffsglocke zum Déjeuner rief, war unter der Gesellschaft, welche sich in der luxuriös verzierten Cajüte des Hinterdecks zur „table d’hôte“ versammelte, auch keine einzige Dame mehr zu sehen. Mir war selbst flau im Magen, da ich noch nichts genossen hatte, und ich fürchtete schon, das Loos vieler meiner Gefährten zu theilenz,; allein ein kräftiges Beefsteak und einige Gläser Portwein restaurirten mich vollkommen. „Sind sie zur See krankheit geneigt?“ fragte unser Capitän, Mr. Alègre dessen Charakter seinem Namen entsprach, einen neben ihm sitzenden Belgier, der bald roth, bald blaß wurde und an keinem der vielen Gerichte großes Wohlbehagen zu haben schien. „Nein, durchaus nicht, niemals!“ erwiederte derselbe rasch und stürzte ein großes Glas Grog hinab. Aber kaum hatte er dies geleert, als er zitternd das Glas auf den Tisch setzte, krampfhaft seine Brust zu arbeiten anfing und sich eine gewaltige Revolution in seinen Eingeweiden zu erheben schien. Plötzlich sprang er auf und wollte die Treppe hinaufeilen, verlor aber bei einem heftigem Stoß, welchen das Schiff in demselbem Augenblick von einer anprallenden Welle bekam, das Gleichgewicht, die vorauszusehende Eruption erfolgte a tempo und der tapfre Ritter wälzte sich unter allgemeinem Gelächter in seinem eigenem Blute auf dem Mahagonygetäfel des Salons. Mittlerweile hatten sich schwarze Wolken am westlichem Horizont zusammengeballt und drei Windhosen zeigten sich nahe bei einander, indessen in beträchtlicher Entfernung von unserm Schiffe. Der Wind blies heftig, die Wogen wuchsen zu immer gewaltigeren Bergen und ein feiner Regen machte den Aufenthalt auf dem Verdeck unangenehm. Dennoch zog ich es vor, oben zu bleiben, denn in dem dunstigem Cajütenraum behagte es mir noch weniger. Ich zündete mir daher eine Cigarre an und setzte mich in meinen Mantel gehüllt aufs Bugspriet, beiläufig der am meisten geeignete Ort, um die Seekrankheit zu bekommen. Mir gefiel aber dieser lustige Standpunkt ganz besonders, wo ich mich an dem zwar immer wiederkehrendem und doch so abwechselndem und reizendem Schauspiel der unter meinen Füßen sich begegnenden und im wildem Zusammenstoß zerschellenden Wellenberge des azurnen Meeres weiden konnte. „Gardez-vous monsieur! Vous ne fumeré pas longtemps“ rief mir einer der Matrosen, der mich längst beobachtet hatte, mit spöttischem Lächeln zu, und allerdings ist nichts geeigneter, bei einem Jedem, welcher irgend Disposition zur Seekrankheit besitzt, dieses Uebel hervorzurufen, als eine Cigarre zu rauchen. Ich rauchte aber trotzdem fort und rauchte den ganzen Tag, ohne das geringste Unwohlsein zu verspüren; im Gegentheil gefiel mir das immer stärker werdende Schaukeln des Schiffes ganz ausnehmend und ich hatte in meinem gottlosem Herzen den unverzeihlichen Wunsch, daß doch ein Bischen Sturm werden möge, indem ich mir nichts Schöneres denken konnte, als die ganze unabsehbare Meeresfläche in ein wild bewegtes Schaumbett verwandelt zu sehen. Dieser vorwitzige Wunsch ging mir damals nicht in Erfüllung; in späterer Zeit habe ich dies Vergnügen zur Genüge genossen und in höherem Grade, als ich gewünscht hatte. Nach 12 Uhr versank die weiße Felsenküste Frankreichs hinter den schäumenden Hügeln des Meeres; die Sonne brach durch das dicke Gewölk und beleuchtete die aufgeregte unendliche Fläche der offenen See!
aus Moritz Willkomm: Zwei Jahre in Spanien und Portugal, 1847
Währen Willkomm bei stürmischer See aus Marseille wegfährt, bleiben wir noch ein wenig in Frankreich, und machen uns auf dem Landweg Richtung Spanische Grenze.
Wir verlassen Sète auf dem schmalen Landstreifen zwischen der Lagune Etang de Thau und dem Meer. Wir kommen nach Agde, wo ein Riesen-Gewühl herrscht: Baustellen, Touristen, Autos, Markt: es ist stressig, hier durchzukommen. Bald aber wird es ruhiger, und wir fahren den Kanälen entlang. Wir kommen zum Canal du Midi, wo gerade Schiffe durch die Schleuse fahren. Ein faszinierender Prozess.
In Fleury gehen wir einkaufen und machen vor der Kirche ein Picknick.
Um 15 Uhr erreichen wir Narbonne und staunen ob den grossen Plätzen, dem riesigen Palais des Archevêques und der gigantischen Kathedrale St. Just. Die Kathedrale ist eine unvollendete römisch-katholische ehemalige Bischofskirche. Die heute als Basilica minor eingestufte Kirche hat seit dem Jahr 1840 den Status eines Monument historique. Mit ihren beinahe 41 m Gewölbehöhe gehört sie zu den höchsten Kirchen Frankreichs.
Wir kaufen zwei Becher Glacé und geniessen die speziellen Aromen (Limonen-Ingwer-Basilikum, Lavendel-Honig), während wir dem regen Treiben zuschauen. Im Will’s Hôtel beziehen wir unser Zimmer, die Velos können wir einfach in den Aufenthaltsraum stellen.
Gegen Abend besuchen wir die Kathedrale und werfen noch einen kurzen Blick in die Maar-Picasso-Miro-Dali Ausstellung im Palais des Archevêques, leider haben wir nur noch 5 Minuten bis Torschluss.
Im El Padre essen wir einen guten Salat mit Crevetten, in der Eisdiele noch zwei Sorten probieren: Ingwer und Olivenöl mit Basilikum.