Mittlerweile hatte sich, das Wetter einigermaßen aufgehellt und so machte ich mich in den späteren Nachmittagsstunden in Begleitung eines hamburger Kaufmanns, den ich zufällig an der „Mesa redonda“ (table d‘hote) traf, auf den Weg, um die Promenaden, derentwegen Valencia berühmt ist, in Augenschein zu nehmen. Wir begaben uns folglich zum Königspförtchen (Portilla del Real) hinaus über die Königsbrücke nach der Alameda, wo eben die vornehme Welt Valencias promenirte. Diese Promenade, welche eine schöne Aussicht auf die vielthürmige Stadt und in das reizende Gartenland der Huerta darbietet, ist weiter nichts als eine vierfache Allee von Silberpappeln, Platanen und Ulmen von sehr bedeutender Länge (sie ist 1500 Fuß lang), mit steinernen Bänken und einigen Marmorfontainen geziert, denen jedoch das Wasser mangelt; verdient daher nicht die pomphaften Lobeserhebungen, mit welchen sie gewöhnlich als eine der ersten Promenaden von Europa von den spanischen Schriftstellern geschildert wird. Früher, wo die Allee fast ausschließlich aus exotischen Bäumen bestand, mag sie für einen Nordländer wegen der Fremdartigkeit der Baumformen von größerem Interesse gewesen sein. Diese wurden während der Belagerung durch die Franzosen niedergeschlagen und später durch die genannten europäischen Bäume ersetzt, welche noch zu klein sind, um einen großartigen Eindruck zu machen. Ebenso wenig verdienen die längs der linken Seite der Alameda in steifem altfranzösischem Geschmack angelegten Ziergärten, in welchen es allerdings recht hübsche Rosen- und Myrtenhecken giebt, großes Lob, wie ich mich überhaupt der Bemerkung nicht enthalten kann, daß die sogenannten öffentlichen Gärten in Spanien weit hinter den unsrigen zurückstehen, denn man gewahrt nichts als eine große Verschwendung von Orangen, Cypressen, Myrten und Rosen, die nach altfranzösischer Unsitte zu abentheuerlichen Formen verschnitten sind, steife mathematische Figuren darstellende, von verschnittenen Buchsbaumhecken umgebene Blumenbosquets, kurz, sehr viel geschmacklose Kunst, aber wenig Nachahmung der Natur.
Auf der Alameda beginnt während des Sommers jeden Nachmittag um 5 Uhr die große Promenade, welche bis um 7 Uhr dauert. Sie bietet dem Fremden ein eigenthümliches Schauspiel. Die Promenade ist nämlich durch die vier Baumreihen in drei parallele Gänge getheilt, von denen der mittelste und breiteste für die Fußgänger bestimmt ist, die beiden Seitengänge dagegen für die Wagen. Letztere fahren stets zum Königspförtchen hinaus, kommen über die Brücke herüber und lenken nun am südlichen Ende der Allee, wo sich ein geräumiger kreisrunder Platz befindet, in den rechten Fahrweg ein, fahren längs des Flusses hinab, biegen am nördlichem Ende der Alameda um und fahren den linken Fahrweg längs der erwähnten Ziergärten bis wieder zu dem Ausgangspunkte hinauf im langsamstem Schritt, so daß man in dem Mittelgange zu beiden Seiten eine lange Reihe von Wagen sieht, welche sich langsam nach entgegengesetzten Richtungen bewegen, ähnlich wie auf dem Corso der italienischen Städte. Man darf aber ja nicht glauben, daß hierbei große Pracht entfaltet werde. Obwohl Valencia wegen seines reichen hohen Adels berühmt ist, so sieht man doch nur sehr wenige und dann gewöhnlich entsetzlich altväterische, meist von vier Maulthieren gezogene Chaisen; die Mehrzahl der vornehmen Einwohner zieht es vor, in den beliebten Tartanen zu promeniren, die mitunter recht elegant sind und von stattlichen, reich aufgezäumten Pferden und Maulthieren gezogen werden, aber wegen ihrer Plane, die darin Sitzenden den Blicken der Fußgänger fast gänzlich entziehen.
Gerade so wie die Wagen bewegt sich die Masse der Fußgänger, die aus den weniger begüterten Klassen der Bevölkerung bestehen, in dem breitem Mittelgange der Alameda auf und nieder, während die niedrigen Stände und die Landleute der Huerta sich auf einer langen Steinbank zu lagern pflegen, welche längs der Mauer hinläuft, die das Bett des Flusses begränzt. Hier stehen auch die Buden der Verkäufer von Erfrischungen und Confect aller Art, was die Spanier außerordentlich lieben; die Aguadores oder Wasserträger durchkreuzen unaufhörlich die Wege, Eis und Wasser den Vorübergehenden mit lautem Geschrei anbietend, und malerisch zerlumpte Jungen, die oft blos ein aus den Fetzen von zehnerlei alten Lappen zusammengeflicktes Gewand auf dem Leibe tragen, belästigen die promenirenden Herren unaufhörlich, ihnen mit dem gellendem Ruf „Fog, fog, Siñore, que vol fog!“ (valencianisch für: „Quien quiere fuego Señores!“ „Wer will Feuer, meine Herren !“) ihre brennenden Lunten zum Anzünden der Cigarren unter die Nase haltend. Macht man keinen Gebrauch von ihrer Dienstfertigkeit, die natürlich durch einen Cuarto (kleinste Kupfermünze von ungefähr 3 Pf. Werth) belohnt werden muß, so geht das Geschrei erst recht los, denn nun verfolgen einen die kleinen Plagegeister, indem sie unter lautem Gelächter eine Belohnung dafür verlangen , daß sie wenigstens Feuer angeboten haben. Hilft auch dies nichts, so legen sie sich aufs Jammern und Bitten, bis man ihnen endlich etwas giebt, um sie nur los zu werden. Kaum hatte ich mit meinem Begleiter die Alameda betreten, als auch schon ein Schwarm solcher Teufelchen mit lautem Geschrei, von dem wir kein Wort verstanden, uns umringte; denn die „Estrangeros“ (Ausländer) haben sich ihrer besondern Zuneigung zu erfreuen, da sie bei diesen immer einen guten Handel zu machen gedenken.
Namentlich fiel mir einer von dieser Bande auf, ein Knabe von etwa 12 Jahren , von beduinenartigem dunkelm Teint, ob in Folge der Sonnenstrahlen oder des Schmutzes, habe ich nicht untersucht, der kein anderes Kleidungsstück besaß als die Hälfte einer alten Manta, die aber dermaßen zerrissen und geflickt war, daß sie aussah, als habe man sich die Mühe gegeben, einzelne Fetzen zu einem Netz zusammenzuknüpfen. Dieses etwas unvollständige Mantelstück, welches namentlich die hintern Partieen seines Körpers sehr mangelhaft bedeckte, hatte er, so gut es gehen wollte, um den Leib gewickelt und den Strick, der ihm als Lunte diente, zugleich als Gürtel benutzt, um diese malerische Drappirung festzuhalten. So lief er, den struppigen Kopf von einer verschossenen, vielfach zerlöcherten catalonischen Mütze bedeckt, die er irgendwo am Strande aufgelesen haben mochte, toll zwischen den Herren und Damen hindurch, was weiter keinen Anstoß zu erregen schien, denn in Süden ist man an dergleichen Natürlichkeiten gewöhnt und würde es für ein Verbrechen halten, die Freiheit der fröhlichen Jugend zu beschränken.
Als der geschilderte Junge, welcher sich wie seine Gefährten damit vergnügte, die weggeworfenen Cigarrenstümpfe aufzuheben und selbst zu rauchen, sah, daß auf keine Weise etwas von uns zu bekommen sei, begann er flehentlich zu bitten und rief kläglich, unsere Kniee umfassend— „Einen Quart, meine Herren, um die Jungfrau der Verlassenen willen! Meine.Mutter ist todt und viel Armuth zu Hause!“ Der arme Junge wußte so rührend zu bitten, und sah uns so warm und treuherzig mit seinen blitzenden schwarzen Augen an, daß wir nicht umhin konnten , ihm jeder einen Silberreal (8 Cuartos) zu geben. Dadurch hatten wir aber unsere Lage nur noch bedenklicher gemacht, denn jetzt kannte der Jubel des Knaben, welcher vielleicht den ganzen Tag nicht soviel zusammenbettelte, keine Gränzen, und da er wie toll seine zerlöcherteMütze in die Luft warf und in einem weg schrie – „Viven los caballeros Ingleses!“ (denn er hielt uns für Engländer, ein Schicksal, das mir sehr häufig begegnet ist) , so sammelte sich jetzt die ganze liebe Jugend um uns als die Löwen des Tages und wollte nun auch so fürstlich belohnt sein. Wir hielten es daher für das Gerathenste, uns in die Stadt zurückzuziehen, wohin uns die Jungen nicht zu verfolgen wagten.
Wir begaben uns nach dem Garten der Glorieta, einer öffentlichen Promenade innerhalb der Mauern, dicht am Seethore und an der Plaza de Sto. Domingo gelegen, wo von 7 Uhr Abends bis zum Anfange des Theaters (halb 9 Uhr) die von der Alameda zurückkehrende Noblesse zu promeniren pflegt. Wer daher die gepriesene Damenwelt Valencias sehen will, versäume nicht, an Sonn- oder Festtagen diesen Garten um die genannte Zeit zu besuchen, wo er gewiß stets eine brillante Versammlung treffen wird, da die Tartanen nicht in die Glorieta hineinfahren dürfen und deshalb ihre Insassen an den Eingängen des Gartens absetzen.
Wir waren kaum eingetreten, als sich auch der Garten zu füllen begann. Eine Tartane nach der andern hielt vor dem schönem vergoldetem Gitterthor, welches sich der Seestraße gegenüber befindet und dessen steinerne Pfeiler mit zwei stolzen Marmorlöwen geziert sind, und entleerte ihren schönen Inhalt. Mitten durch die Glorieta läuft ein breiter, von Myrtenhecken und Orangenalleen eingeschlossener Gang, geräumig genug, um einige Tausende zu fassen. Hier werden einfache Rohrsessel, auf beiden Seiten in Reihen gestellt, um ausruhen und die Vorübergehenden gemächlich betrachten zu können. Ein jeder Sessel kostet zwei Quart und der Ertrag dieser Vermiethung ist für das Waisenhaus bestimmt.
Ich und mein Begleiter waren mit nicht geringen Erwartungen an diesen lieblichen Ort gekommen, um die gepriesenen Valencianerinen von Angesicht zu Angesicht zu schauen, die nächst den Bewohnerinen von Cadiz und Malaga für die schönsten Frauen in Spanien gelten; und ich muß gestehen, daß unsere Erwartungen nicht nur befriedigt, sondern beinahe übertroffen wurden. Es ist wirklich ein imponirendes Schauspiel , diese Hunderte hochgewachsener und schöngeformter Frauen mit majestätischer Haltung und leicht graziösem Schritt in höchst eleganter und äußerst geschmackvoller Toilette vorüber schweben zu sehen, den rauschenden, ewig beweglichen Fächer in der Hand, das stolz erhobene Haupt mit den dunkeln Gluthaugen und dem gebieterischem Zug der üppigen Lippen halbverhüllt in die durchsichtige schwarzseidene Mantilla oder den langen weißen Spitzenschleier, und im leisem, lebhaftem Gespräche die Vorübergehenden mit raschem durchdringendem Blick musternd; — dazu die männliche Bevölkerung, welche sich ebenfalls meist durch hohen schlanken Wuchs, schwarze blitzende Augen und dunkeles Haar auszeichnet, mit dem stolzen Ausdruck ihrer stark markirten, geistig bewegten Züge und dem feinem, zuvorkommendem, doch nie servilem Wesen, welches diese Caballeros wohl geeignet macht, den Fremden schnell an sich zu fesseln!
Endlich denke man sich als Staffage zu dieser bewegten glänzenden Scene blühende Citronenalleen , Myrten- und Rosenhecken, die zaubrisch duftige Beleuchtung der südlichen Dämmerung und das Ganze überspannt von der azurnen durchsichtigen Kuppel des spanischen Himmels, an dem bereits einzelne Sterne erglimmen: — und man wird gestehen müssen, daß Alles dieses ein Ensemble von hohem poetischem Reiz bildet.
Die Glorieta ist zwar ebenfalls in französischem Styl angelegt, doch einer der schönsten öffentlichen und einen acht südlichen Charakter tragenden Gärten, die ich mich in Spanien gesehen zu haben erinnere, wenn ich auch nicht mit der pomphaften Schilderung einverstanden bin, welche der Verfasser des „Manual de Valencia,“ (Handbuch für den Fremden in Valencia) von diesem Garten entwirft, die ich hier übersetzen will, um ein Beispiel von dem blumenreichem Styl zu geben, der den Südspaniern von ihren orientalischen Vorfahren überliefert worden zu sein scheint. „Man kann die Glorieta, — sagt dieser Spanier, — mit den Gärten der Hesperiden vergleichen, da sie das ganze Jahr mit grünenden Blättern, prächtigen Blumen und Früchten bedeckt ist, namentlich von Orangen, deren es viele und herrliche giebt, vom keckem Mandelbaum, der wie ein üppig-coquetter Strauß am Busen einer vom Tode dahingerafften Jungfrau mitten unter Frost und Reif seine blüthenbesäten Zweige erhebt; von dem herrlichem Oleander, der Centisolie, der blüthenreichen wohlriechenden Melanie, der immerblühenden Monatsrose, bekränzt von röthlich schimmernden Blättern, dem symbolischem Lorbeer, dem elegantem Erdbeerbaum, den Nelken, Tulpen und Tausenden von andern Pflanzen, welche die Fremden mit Staunen und Bewunderung erfüllen.“
Inmitten des von dem gutem Valencianer mit einem so großem Aufwand poetischen Schwungs beschriebenen Gartens befindet sich eine einfache, doch schöne Fontaine von weißem Marmor, in deren Mittelpunkt sich ein Block von valencianischem Jaspis erhebt, welcher ein schönes Piedestal von weißem Marmor trägt, das an seinen vier Ecken mit bronzenen Köpfen verziert ist und auf welchem ein marmorner Triton von hoher künstlerischer Schönheit steht, dessen Schöpfer leider unbekannt geblieben ist.
aus Moritz Willkomm: Zwei Jahre in Spanien und Portugal, 1847
Heute ist Montag, da sind die Museen geschlossen. Willkomm ist auf der Alameda spaziert, ich will mich auch dem grünen Gürtel von Valencia widmen. Dieser Jardín del Turia wurde in den 1980er Jahren im alten Flussbett des Rio Turia angelegt, nachdem dieser umgeleitet worden war. Viele Bäume geben Schatten, es hat Rad-, Jogging- und Spazierwege, dazu etliche Trinkwasserstellen und Sportanlagen. Ich komme zu den Torres de Serrano, welche gerade für Besucher geöffnet werden und besteige die Türme, von welchen man eine tolle Aussicht geniesst. Auffallend ist, dass die Türme ausser im Parterre keine geschlossenen Räume besitzen, die sind immer auf die Stadtseite hin offen.
Ich kehre zurück ins alte Flussbett und komme zum Gulliver-Park, welcher für die jugendliche Besucher angelegt wurde. Zwischendurch steige ich auf die Strassenebene hoch, wo die eigentliche und von Willkomm beschriebene Alameda sich entlang zieht, die wird aber auch von Autos befahren und ist nicht mehr so malerisch.
Den Glorieta Park habe ich verpasst, aber der von Willkomm beschriebene Brunnen ist noch da, wie man sich auf Google Maps überzeugen kann.
Nun hat es riesige moderne Bauten entlang des Flussbetts. Es ist die Ciudad de las Artes y las Ciencias von Calatrava und Candela.
Ich steige aus dem Flussbett hinauf und wandere Richtung Hafen. Willkomm beschreibt, dass es drei Viertelstunden von Grau nach Valencia sind. Das dünkt mich etwas viel, aber da müsste man nachforschen, wo der Hafen früher lag und wie sich die Anlage seither verändert hat.
Jedenfalls hat es riesige Anlagen für diverse Gattungen wie Frachtschiffe, Kreuzfahrtschiffe und einen Sport/Freizeithafen. In einer riesige Halle üben sich Rollschuhläufer, Velofahrerinnen und Boxer.
Es ist jetzt sehr heiss, Zeit, meine Wanderung zu beenden. Im Rincón del Grao kriege ich ein ausgezeichnetes Tagesmenü für 14€.
Ich habe genug vom Marschieren und steige aufs Tram Nr. 6 um. Die oberirdischen Trams und die unterirdische Metro gehören zum gleichen Liniennetz. Also mal ausprobieren, wie das geht. An der Station Benimaclet wechsle ich auf die Nummer 3, dafür steige ich in den Untergrund hinab. Zuerst spiele ich mit dem Gedanken, zum Flughafen zu fahren, einfach so, weil ich noch nie dort war und es schön kühl ist. Dann habe ich doch keine Lust auf Tunnels und steige um auf die Linie 2, welche mich bis zum Platz Jesus bringt. Von dort ist es nicht weit zu meiner Unterkunft.