Der Marktplatz, ungefähr im Mittelpunkte der Stadt, von der Gestalt eines unregelmäßigen Dreiecks, ist eines Besuches in den Morgenstunden Werth wegen des unendlich bewegten Volkstreibens, welches zu dieser Zeit auf ihm stattfindet. Ich bin immer mit großem Vergnügen über denselben gegangen, um die Massen von Gemüsen, Früchten und Seeerzeugnissen aller Art, welche hier jeden Tag aufgestapelt liegen, zu bewundern und dem bewegtem Schauspiele zuzusehen, welches die aus allen Classen der niederen Bevölkerung zusammengesetzte Menge darbietet, die sich um die Buden und Tische der ihre Waaren mit lebhaften Gebährden und lauthin schallendem Geschrei ausbietenden Verkäufer drängt. Es ist ein furchtbarer Lärm, von dem man in unserm ruhigem Norden gar keine Begriffe hat. Gassenweit hört man das Getreibe des Marktes und inmitten des Getümmels versteht man oft sein eigenes Wort nicht. Und dazu die unendliche Verschiedenheit der Trachten! Hier bieten Landleute der Huerta ihre Früchte und Gemüse aus, gewöhnlich blos mit einem Hemd und sogenannten Zaraguelles, einer Art kurzer, weiter, blos die Oberschenkel bedeckender Hosen von grobem weißem Linnenzeug, bekleidet, den Leib mit einer rothwollenen Schärpe umwunden, an den Füßen Sandalen von Esparto, die mit blauen Bändern an dem in einem fußlofem ledernem Strumpfe steckendem Schienbeine befestigt sind, um den Kopf ein buntes baumwollenes Tuch ungefähr so gebunden, wie es die Bäuerinen der sächsischen Oberlausitz tragen, und die dicke, wollene, blau und weiß gestreifte Manta über die Schulter geschlagen; — dort bringen muskulöse Gebirgsbewohner in kurzen brauntuchenen Jacken und spitzen, breitkrampigen, schwarzen Filzhüten lange Züge von Eseln und Maulthieren mit Kohlen oder Wildpret beladen; — dazwischen bemerkt man neben großen, mit den bunten Bewohnern des Meers erfüllten Binsenkörben Gruppen von trotzig blickenden Matrosen und Fischern in ihren blauwollenen Blusen und langen gestreiften Beinkleidern, die catalonische Mütze halb über den Kopf gezogen , die Hände lässig in die dicke Schärpe gesteckt; — daneben lagern eine Anzahl schweigsamer melancholischer Bewohner der Mancha, vom Fuß bis zum Kopf in dunkelbraunes Naturtuch gekleidet und in zerfetzte brauntuchene Mäntel eingehüllt, um große Haufen von Töpfergeschirr aller Art; — zerlumpte Trödler schreien ihre Waaren aus, die sie auf großen Tischen mit vieler Sorgfalt ausbreiten, bestehend aus altem Eisenwerk, zerbrochenen Meubles, alten Büchern und gebrauchten Kleidungsstücken, worunter häufig so zerfetzte Lappen, daß sie bei uns kaum von den Lumpensammlern aufgehoben werden dürften; — ehrsame Bürgersleute, halbstädtisch gekleidet, rufen die Vorübergehenden aus ihren Buden an, die mit Victualien und allerlei Bedürfnissen des Lebens erfüllt sind: und Alles, sowohl Käufer als Verkäufer, schreit wild durch einander, lacht und singt, daß man toll zu werden denkt. Dazwischen verkünden die Colporteurs der Localblätter, häufig Blinde, von Knaben geführt, welche Klingeln in den Händen tragen, um die Menge auf sie aufmerksam zu machen, mit lauter halbsingender Stimme die Tagesneuigkeiten und bieten ihre Blätter und Flugschriften aus ; — die Aguadores, kleine, cylindrische, mit Eiswasser gefüllte Fässer auf dem Rücken und in den Händen ein zierlich geflochtenes Binsenkörbchen mit Gläsern tragend, während sie eine blecherne, Zuckerwerk enthaltende Büchse an einem Riemen um den Leib geschnallt haben, drängen sich mit dem kreischendem Geschrei: „A beber, Siñore, que voI Aguia?“ durch die dichtgeballte Menge und von den breiten Marmorstufen der Lonja tönt das wimmernde Flehen zerlumpter Bettler, welche unablässig Gebete hersagend die Vorübergehenden um milde Gaben anflehen; denn trotz der vielen Reinlichkeit der Gassen und Gebäude ist die Menge der Bettler in Valencia noch immer sehr groß. 

Zu den merkwürdigsten Gebäuden, welche die an Palästen aller Art so reiche Stadt zieren, gehört die sogenannte Lonja de la Seda. An seiner Stelle soll ehedem der Palast einer maurischen Prinzessin gestanden haben, der nach der Eroberung Valencias zerstört worden sei. Später ward auf Befehl Königs Ferdinand des Katholischen von Arragonien das gegenwärtige Gebäude gebaut und zur Casa de Contratacion (Handelshaus oder Börse) bestimmt. Die nach dem Markte zu gerichtete Hauptfassade dieses Gebäudes enthält eine Reihe hoher gothischer Fenster von der zierlichsten Arbeit sowie ein sehr schönes gothisches Portal, zu dem eine breite Treppe emporführt. Das Erdgeschoß des Gebäudes nimmt eine prachtvolle gothische Halle von 134 Fuss Lange und 75 Fuss Breite ein, die durch acht schlanke gewundene Säulen, welche das hohe reichverzierte Gewölbe tragen, in drei Schiffe getheilt ist. Diese Halle ist zum Ein- und Verkauf der rohen Seide, die einen der Haupthandelszweige des Königreichs von Valencia bildet, bestimmt und daher stammt der Name Lonja de la Seda. Die oberen Räume dienen der Junta de Comercio zu ihren Sitzungen, sowie sich hier die Tribunale sämmtlicher Consuln befinden.

Unter den acht Thoren der Stadt zeichnen sich besonders zwei durch ihre schöne alterthümliche Architektur aus, nämlich die Puerta de Serranos und die Puerta de Cuarte. Beide sind gothisch und ein jedes mit 2 dicken, runden, zinnengekrönten Thürmen von außerordentlicher Festigkeit versehen, die jetzt als Staatsgefängnisse dienen. Die Puerta de Cuarte ist auch historisch interessant durch den furchtbaren Sturm, welchen der Marschall Moncey am 28. Juni 1808 auf dieses Thor unternahm, doch vergeblich; denn nach mehrstündigem Kampfe mußten sich die Franzosen, nachdem ein großer Theil von ihnen durch die heldenmüthigen Vertheidiger Valencias vor dem Thore umgekommen waren, nach Albacete zurückziehen.

aus Moritz Willkomm: Zwei Jahre in Spanien und Portugal, 1847

Mit dem Bus fahre ich zur Markthalle, einem wunderschönen Jugendstilbau von 1928. Der Markt findet also nicht mehr auf offener Strasse statt, wie von Willkomm beschrieben, und es geht auch sehr gesittet und leise zu in den sauberen Räumlichkeiten. 

Nicht weit ist es zur Lonja de la Seda, der Seidenbörse. Der Eintritt ist mit meiner Touristenkarte gratis, und ich nehme einen Audioguide. Der lohnt sich, man erfährt vieles über das 1533 fertig gestellte Gebäude und den Handel. Die Fassade hat viele Verzierungen mit teils skurillen Objekten. Der Säulensaal ist mächtig und das Bauhandwerk, das dahinter steckt, beeindruckend. Der Saal, wo das Handelsgericht tagte, ist niedriger und hat eine Holzdecke. Der Orangengarten beeindruckt nicht so sehr, vielleicht, weil ein Teil für das Eingangsgebäude genutzt wurde.

Mein Spaziergang führt zu den Torres de Quart, die den gestern besuchten Torres Serranos gleichen. Jetzt will ich doch noch den Glorieta Park, von dem Willkomm so geschwärmt hat, besuchen. Der ist aber offensichtlich seit dem 19. Jahrhundert geschrumpft und von Baustellen und Lichtsignalen umgeben. Der Brunnen ist noch da, aber er wird gerade renoviert und die Marmor-Statue des Tritón fehlt im Moment. Aber das Seethor (Puerta de la mar) und der Pont del Real sind noch da. Beim Tetuan Platz hat es eine Bibliothek, wo im Innenhof die Ausstellung València 100 años de radio zu sehen ist.

Ich fahre zurück und gehe Essen. Am Nachmittag besuche ich mit A. das Museo de Bellas Artes, welches Werke vor allem aus dem 14. bis 17. Jahrhunderts zeigt. Daneben gibt es auch zeitgenössische Ausstellungen, wie gerade jetzt von Santiago Ydáñez:  Villa di Livia.

Auf dem Heimweg gehen wir beim Gemeinschaftszentrum vorbei wo der Leiter P. über die Reisen von Willkomm informiert ist und auch einen Kontakt in Granada hat, der sich damit beschäftigt. Das ist das erste Mal, dass ich jemanden treffe, der von Willkomm gehört hat.