Endlich waren alle meine Papiere in Ordnung und ich wartete nun ungeduldig auf die Abfahrt des Dampfschiffes, die sich aber wegen des auf den ersten Mai fallenden Namenstages des Königs noch um einen Tag verzögerte. Hätte ich dies eher erfahren, so würde ich nicht unterlassen haben, mich nach Toulon zu begeben, wo diesen Tag eine große Revue der daselbst stationirten Flotte stattfinden sollte, weshalb ein besonderes Dampfschiff von Marseille dahin abging. Hier waren die Festlichkeiten ziemlich unbedeutend und beschränkten sich auf das Gewöhnliche, nämlich feierliches Hochamt in den Kirchen, Beflaggung sämmtlicher im Hafen liegender Schiffe, was allerdings einen sehr bunten und nicht uninteressanten Anblick gewährt, große Revue des Militärs in der Allee de Meilhan und Abends Illumination der öffentlichen Gebäude und Abbrennung eines Feuerwerks. Ich war froh, als der Spectakel vorüber war, ordnete mein Gepäck und rüstete mich, dem französischem Boden auf lange Zeit Lebewohl zu sagen.

aus Moritz Willkomm: Zwei Jahre in Spanien und Portugal, 1847

Unsere Velos sind etwas weg vom Hotel parkiert. Wir bringen unser Gepäck zur Fahrradgarage und machen uns für die Weiterfahrt bereit.

Die Strecke führt zuerst über schmale Nebenstrasse, über den Kanal und zwischen Teichen hindurch. Dann geniessen wir einen tollen ausgebauten Radweg durch das Naturschutzgebiet Scamandre. Immer wieder überqueren wir Kanäle, oft auf Brücken, welche für den Radweg erstellt wurden. Lagunen und weidende Schimmel bestätigen, dass wir in der Camargue angelangt sind. 

Ab dem malerischen Aigues-Mortes wird es sehr touristisch, die Strassen sind voll von Autos, auf den Wegen tummeln sich Fussgänger und Radfahrer wie Ameisen. In Grande Motte wagen wir uns in den Lidl, dann fahren wir entlang dem Golf von Aigues-Mortes. Jetzt haben wir links das Meer und rechts die grossen Lagunen (Etang de l’Or, Etang de Pérois, Etang du Grec usw.). Schon sehen wir die ersten Hügel, die Ausläufer der Pyrenäen. Ab Villeneuve les Maguelone wird es ruhiger und auch etwas hügelig. In Vic-la-Gardiole hat es eine faszinierende Kirche, die wie eine Burg gebaut ist. Eine Tafel informiert uns wie folgt:

Die denkmalgeschützte Kirche Sainte Léocadie ist eine der ältesten Wehrkirchen an der Küste des Languedoc.

Diese herausragende Festung aus dem 12. Jahrhundert, die wie ein Steinschiff aussieht, weist Merkmale romanischer Architektur auf.

Die direkt auf dem Felsen errichtete Kirche hat kein Fundament und besteht aus riesigen Muschelkalkblöcken.

Die Kirche hat einen viereckigen Grundriss und ist wehrhaft angelegt. Beeindruckende Strebepfeiler tragen einen Wachpfad, Pechnasen und Wachtürme.

Die 2 m dicken Mauern haben sowohl feindlichen Angriffen als auch der Zeit standgehalten.

Menschen und Tiere konnten sich in die Kirche mit ihrem Brunnen zurückziehen und so einer Belagerung standhalten.

Nun geht es nochmals auf den schmalen Streifen zwischen Lagune und Meer, bald schon landen wir im lebhaften Sète und fahren zum Hotel de Paris. Zum Abendessen sind wir im Restaurant Aïoli, und dann müssen noch diverse Glacesorten getestet werden.