Die Gegend von Basel trägt durchaus noch keinen schweizerischen Charakter; man sieht nichts von den Alpen und die Formen der Berge erinnern mehr an manche Theile von Böhmen, z. B. an die Gegend von Teplitz, als daß man in ihnen die Vorberge der Alpen vermuthet. Die Stadt selbst ist sehr alterthümlich, theilweise sehr schlecht gepflastert und schmutzig, aber lebhaft und mit Gas erleuchtet. Zum ersten Male klang mir der Schweizerdialekt, hier jedoch für einen Norddeutschen allenfalls noch verständlich, mit seinen unangenehm scharfen Gutturaltönen in die Ohren doch wird beinahe mehr französisch als deutsch gesprochen. Seltsam ist es, daß selbst Personen aus den höhern Ständen, welche gutes Hochdeutsch sprechen, sich doch fast nie, wie ich sowohl hier als in Bem beobachtet habe, die gutturale Aussprache des H und Ch, welche beiden Konsonanten ganz wie die spanische Jota, nur rauher klingen, sowie den eigenthümlichen hohen Tonfall der Stimme, welcher allen Schweizern angeboren zu sein scheint, abgewöhnen können.

Basel liegt sehr hüglig am linken Ufer des Rheins, der hier zwar schmal, aber tief ist und eine prachtvolle saftgrüne Farbe besitzt. Man kann sich auf der alten, aus rothem Sandstein erbauten Brücke nicht satt sehen an diesen smaragdenen durchsichtigen Wogen, die sich an den verwitterten, von Epheu umschlungenen Pfeilern fortwährend in glänzenden goldfarbigen Schaum auflösen. Sehr belohnend ist auch ein Spaziergang zu dem hochgethürmten Eschenthore hinaus um die Promenade, von wo aus man aufwärts in das sich allmälig zu einer dunkeln Schlucht verengende Rheinthal mit seinen schöngeformten, von Buch und Tannen bedeckten Bergen hinaufblickt, während zur Rechten im fernen Westen der blaue Jura wie ein hoher Festungswall am Horizont lagert. Einer der schönsten Punkte in Basel ist aber unstreitig die sogenannte Münsterterrasse, ein hoch über dem Rhein, welcher den Fuß der von armsdicken Epheustämmen dicht übersponnenen Mauer benetzt, vor dem Dome oder Münster liegender, mit Linden bepflanzter Platz, von dem man das ganze Rheinthal überschaut und im fernen Nordosten die hohen Kuppen des deutschen Schwarzwaldes gewahrt, dem ich noch einmal ein herzliches Lebewohl zurief. Der ebenfalls aus rothem Sandstein erbaute Münster ist nicht sehr groß, aber ein schönes Denkmal gothischer Baukunst. Namentlich verdient der alte Kreuzgang mit seinen herrlichen gothischen Hallen den Besuch des Fremden, sowie die beiden völlig vollendeten Thürme mit ihren höchst zierlichen durchbrochenen Pyramiden meine Bewunderung in hohem Grade erregten und der alten Stadt schon von fern ein äußerst pittoreskes Ansehen geben.

Ich war leider durch meine beschränkte Zeit verhindert, mich in Basel länger als einige Stunden aufhalten zu können , und die untergehende Sonne fand mich bereits in dem engen berner Postwagen eingezwängt, welcher mich nach dem Vorort der Schweiz bringen sollte. Die Straße läuft einige Zeit an den grünen Ufern des Rheins hin, dann biegt sie nach rechts in ein herrliches, größtentheils mit Laubholz bewachsenes Hügelland ein, mit blumigen Wiesen und heitern Weingarten abwechselnd und zwischen den waldigen Kuppen fortwährend freundliche Aussichten nach allen Seiten hin eröffnend. Hinter dem von alterthümlichen Mauern umschlossenen Städtchen Liestal steigt man allmälig zum Jura empor, von dem ich jedoch nicht viel zu er zählen weiß, da uns die Nacht überfiel, ehe wir das Gebirg erreichten, und der Himmel mit dickem Gewölk bedeckt war, das sich gegen Mitternacht zu unserm großen Leidwesen in einen feinen Regen auflöste, da auf diese Weise unsere Hoffnung , bei Sonnenaufgang eine schöne Aussicht auf das berner Oberland zu erhalten, vernichtet schien. In dem vollgepfropften Wagen herrschte eine entsetzliche Hitze und an Schlaf war nicht zu denken, die Nacht aber so schwarz, daß man kaum die Hand vor den Augen sah. Gegen zwei Uhr fuhren wir bei plätscherndem Regen durch Solothurn und überschritten die ziemlich breite Aare auf einer langen Steinbrücke. Die Gegend soll hier sehr anmuthig sein und reizende Aussichten auf die Alpen darbieten, ich weiß aber nichts davon zu erzählen.

Bald hinter Solothurn vertieften wir uns in einen düstern Tannenwald, in welchem die Straße unaufhörlich emporstieg. Endlich hatten wir den hohen Berg überwunden und eilten rasch in großen Windungen hinab in das Thal der Aare. Mittlerweile hatte der Regen aufgehört, und als wir nach Sonnenaufgang aus dem Walde heraustraten, zeigten sich vor uns jenseits des schaumenden Flusses auf schroffer Felsenhöhe die Thürme des alterthümlichen Bern, umringt von hohen waldbedeckten Kuppen, über denen im Süden in schönster Morgenbeleuchtung die grotesken zackigen Eishörner und Pyramiden des berner Oberlandes glänzten, dessen höhere Partien allerdings von einem undurchdringlichen Wolkenschleier verhüllt waren. Trotz dem war die Aussicht auf diese Eiskolosse im höchsten Grade großartig und ergriff mich, da ich zum ersten Male die Alpen sah, die immer das Ziel meiner heißesten Wünsche gewesen waren, auf das Mächtigste! —

Bern liegt höchst eigenthümlich auf einer von der tobenden Aare gebildeten Halbinsel, die nach dem Flusse zu theilweis in steile Felsen abfällt, und trägt ganz den Charakter einer mittelalterlichen wohlhäbigen Reichsstadt. Eine kühngespannte mehrbogige Brücke aus feinem graugrünem Sandstein verbindet die Stadt mit dem gegenüberliegenden Ufer der schmutzig grauen Aare und geht zum Theil hoch über die Dächer der dicht am Flusse liegenden Vorstädte hinweg. Die Stadt, von alterthümlichen Mauern umschlossen und auf der dem Flusse entgegengesetzten Seite durch Festungswerke neuern Ursprungs vertheidigt, ist mehr lang als breit und durchgängig schlecht gepflastert. Die Hauptstraße führt in der Längenrichtung von einem Ende zum anderen, die Häuser haben meist überhängende Dächer und ruhen auf sogenannten Lauben. Eine seltsame Sitte, die ich blos hier gefunden habe, ist, daß man die Gassen in Sonnen- und Schattenseiten eintheilt. Die nördliche oder östliche Häuserreihe ist nämlich stets die Schatten-, die entgegengesetzte die Sonnenseite. Ferner heißen die Gasthöfe zweiten Ranges nicht Gasthäuser, sondern «Zünfte» oder französisch «abbayes», wie denn überhaupt ebenso viel französisch, ja beinahe noch mehr als deutsch gesprochen wird, d. h. berner Schweizerdialekt, der für den Norddeutschen total unverständlich ist. So sind auch alle Gassennamen französisch und deutsch und auf der Polizei sowie auf dem Postamte giebt es deutsche und französische Bureaus.

Den folgenden Tag, ein Sonnabend, herrschte ein ungemein buntes und reges Leben in den Gassen und namentlich auf den Verkaufsplätzen, wo ich mich lange herumtrieb, um mich ein wenig an dem lärmenden Treiben der zu allen Thoren herein strömenden Landleute zu ergötzen und den seltsamen Klängen ihres Dialekts zu lauschen, welcher, obwohl rauh, dennoch außerordentlich naiv, namentlich im Munde junger Mädchen, klingt. Ich kaufte einem dieser Schweizermädchen, das Blumen feil hatte, ein Sträußchen frischer Aurikeln und Narzissen ab und fragte sie, wo sie her wäre und wo sie diese Blumen geholt habe. Das unschuldige Kind sah mich verwundert mit ihren hellen blauen Augen an und sagte mit schalkhaftem Lächeln: «I chann d’Cherrn nüt verstahn!» Da sie mein Hochdeutsch durchaus nicht begriff, so machte ich einen Versuch mit Französisch und siehe da, die junge Bäuerin verstand mich auf der Stelle, obwohl sie nicht französisch sprach; wenigstens antwortete sie mir immer im Schweizerdialekt. Sie erzählte mir nun, indem sie ihre Blumen in Sträuße band, ohne allen Rückhalt, daß sie drei Stunden von Bern aus Münsingen im Aarthale sei und jeden Sonnabend die Blumen zum Verkauf «i’s Städtli» brächte, welche ihr «gueter Bue» von den Alpenwiesen herabhole. Ich fragte sie, warum ihr Bue sie denn nicht begleite und ob er nicht scheel sähe, wenn sie allein ins Stadtli ginge. «Oh, i lauf nüt alleen,» erwiederte das Mädchen heiter — «d’heime in myne Dörfli sein viel Meidschi (Mädchen), die mer de Samstag i’s Städtli lauf und da förcht i mi nüt! Und sei mer die Blümeli lues worne, su lauf mer gumpet (fröhlich) heime und da sitze schune de Bue zentumme (ringsum) uf de Felsen und luegen i’s Ländli use (und sehen ins Land hinaus), ob ihre Meidschi heime chumm!» Ich sagte, ich möchte schon so ein Bue sein und ein so herziges Meidschi haben wie sie. Da erwiederte sie schelmisch, ich solle nur da bleiben, in ihrem Dörfli gäb’s viele «suffere Meidschi (saubere Mädchen) wie Milch und Bluet». Als ich sie fragte, wie sie heiße, antwortete sie rasch: «Eisi (Elise) und mi Bue Fabi (Fabian)» und wandte sich zu andern Herren, welche auch dem lieblichen Eisi Blumen abkaufen wollten.

Im Allgemeinen sieht man aber nicht viel hübsche Gesichter unter den berner Bäuerinnen. Doch haben sie alle einen sehr weißen Teint und meist reiches blondes Haar, welches sie in zwei dicke Zöpfe flechten, die frei über die Schultern hinabhängen. Gewöhnlich tragen sie einen kurzen rothwollenen Rock, eine weißleinene Schürze, ein Schultern und Busen kaum zur Hälfte bedeckendes schwarzsammtnes Mieder mit langen enganliegenden Aermeln, das vorn offen ist und durch ein silbernes Schnürband unterhalb des Busens zusammengehalten wird, welcher nebst den Schultern blos durch das bis an den Hals reichende und unter dem Kinne zusammengebundene grobe Linnenhemd verhüllt ist. Den Kopf pflegen sie mit einem großem Strohhut zu bedecken, den sie meist mit bunten Bändern und häufig mit frischen Blumen verzieren. Weniger zeichnen sich die Männer durch ihre Tracht aus, die eben nicht malerisch zu nennen ist. Sie tragen nämlich stets einen kurzschößichen Frack und weite Beinkleider, Beides aus grobem Tuch von dunkelbrauner Schafwolle, Strümpfe und Schnürstiefeln und einen niedrigen breilkrämpigen Filzhut. —

Zu den interessantesten Punkten der Stadt gehört die sogenannte Plateform, eine auf steilem Felsabhang oberhalb der Aare liegende, mit Alleen und Steinbanken gezierte Terrasse vor der Münsterkirche. Letztere ist ein altes gothisches Gebäude mit einem dicken viereckigen halb byzantinischen Thurm, im Jnnern wie die meisten reformirten Kirchen fast ganz schmucklos. Unweit des Altars steht hier das Grabmal des Gründers von Bern. Von der Plateform aus genießt man eine reizende Aussicht über das von der wilden Aare durchbrauste malerische Thal mit seinen grünen Matten, zerstreuten Bauernhöfen und freundlichen Ortschaften, die meist von einer Menge von Nußbäumen umgeben sind. Gerade gegenüber liegt der langgestreckte Bergkamm des hohen waldbedeckten Gurten, über welchem hier und da die blendend weißen Kegel der Alpen emporragen. Bei hellem Wetter mag die Aussicht noch schöner sein; leider regnete es während meines zweitägigen Aufenthalts in Bern sehr viel und über dem Hochgebirge lagerten fortwährend dicke Wolken, die nur dann und wann einen Theil der Alpen momentan enthüllten. Von diesen sieht man in der Stadt selbst wenig; der schönste Punkt ist unstreitig die Promenade des vor dem alterthümlichen freiburger Thore auf einem Hügel gelegenen Observatoriums, von wo aus man das ganze berner Oberland bei hellem Wetter überschauen kann. Ich besuchte diesen reizenden Ort bei Sonnenuntergang. Der Regen hatte aufgehört und die erste niedrigere Kette der Alpen war auch wirklich hell. Rosig erglühte die steile Eispyramide des Nießen, der vollkommen wie ein Zuckerhut gestaltet ist, und die wie mit nadelförmigen Spitzen besetzten Mauern der Korallenstöcke im Scheine der Abendsonne über den grünbebuschten Bergen; von den höhern Partien aber war leider fast gar nichts zu sehen und nur bisweilen blitzten die Gletscher der Jungfrau durch die schwarzen Wolkenmassen hindurch.

Zwischen dem freiburger Thor und der sogenannten kleinen Schanze befindet sich auch der Zwinger, in welchem die berühmten Bären eingesperrt sind, die, wie die guten berner Philister behaupten, noch Nachkommen von jenem Bäre sein sollen, welcher der Stadt Bern ihren Namen gegeben hat. Den folgenden Tag besuchte ich das naturhistorische Museum, was ziemlich unbedeutend ist. Das Merkwürdigste war mir ein Hund vom St. Bernhard, Namens Barry, der wirklich Berühmtheit erlangt hat, indem er während seines Lebens einige zwanzig durch herabstürzende Lawinen verschüttete Reisende gerettet haben soll. —

Die Muskeln haben sich erholt, die Kleider sind gewaschen und die Ausrüstung habe ich etwas optimiert. Ein neues Navi ist geliefert worden, das nehme ich mit und lasse das alte zuhause. So mache ich mich am frühen Morgen auf zum Bahnhof Stäfa. Bei der katholischen Kirche werde ich von einem Regenbogen begrüsst. 

Die Zugfahrt ist bequem und stressfrei, ich bin fast alleine im Wagen.

Den Weg zur Velostation in Basel hatte ich am Mittwoch fotografisch dokumentiert (Erfahrung macht manchmal klug ;-), so finde ich mein Fahrrad auf Anhieb. Alles noch da, ich montiere mein Gepäck und das neue Navi.

Ich hatte geplant, durch die Schweiz der Route von Willkomm zu folgen, also Basel, Liesthal, Solothurn, Bern, Murten, Payerne, Lausanne, Genf. Den Abstecher ins Wallis hätte ich aber nicht gemacht.

Ich habe aber keine Lust auf die mittlerweile mächtig gewachsenen Städte und Vororte. Ausserdem wollte ich schon lange die Jura Route von Schweiz mobil fahren. Ich entscheide mich für diese und erlaube mir, die Willkomm Route zu verlassen. 

Die Route ist schon ab Basel SBB beschildert, so finde ich schnell meinen Weg. Meine Trinkflaschen kann ich an einem Brunnen auffüllen, und bei Denner erstehe ich Proviant.

Der Weg führt ins Grüne, durch Felder und Reitställe und schon bald bin ich in Frankreich. Dieser Umweg bei Hofstetten-Flüh wäre allerdings nicht nötig gewesen, wie ich später herausfinde. Das Flachland ist definitiv vorbei, jetzt geht es oft zur Sache mit steilen Anstiegen.

Dann folgt ein langer Anstieg auf der Strasse zum Challpass. Nach der Passhöhe darf ich diese stressige Rennstrecke zum Glück verlassen, der Kiesweg führt durch den Wald. Bald lockt mich ein Hinweisschild Selbstbedienung. In einer lauschigen Waldhütte finde ich eine Kühltruhe mit Getränken und Fleischprodukten. Ich leiste mir eine Cola. Gestärkt geht es in weiten Bögen abwärts.

Dann folgt der Weg der Laufenstrasse, wo es zwar nicht viel Verkehr hat, aber die Autos schnell fahren. Es beginnt zu regnen, dann zu stürmen, der Wind bläst ganz gewaltig. Als es dann auch noch blitzt und donnert, suche ich Schutz bei der Garderobe des Fussballplatzes von Cornol. Der Himmel beruhigt sich aber, ich fahre im Regen weiter, der hört bald auf.

Nun geht es bergan nach Courtemautruy und dann erbarmungslos steil hinauf zum Col de la Croix. Die Strassenbaufirma hat grosszügig Mengen von Rollsplitt gestreut, das macht die Sache nicht einfacher. Wenigstens habe ich nicht kalt.

Die Abfahrt ist dann wieder ein Genuss, ich komme an den Doubs und bald schon nach St. Ursanne, meinem heutigen Tagesziel. Unterkunft und Nachtessen im Hotel de la Couronne.

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