Eine kleine Unannehmlichkeit kann mich häufig total verstimmen und zu jedweder Beschäftigung unfähig machen, während Unfälle von Bedeutung mich selten aus der Ruhe bringen. So erging es mir damals in Granada. Während ich noch wenige Stunden zuvor beim Anblicke dieser Stadt in Wonne geschwelgt hatte, war ich jetzt so mißmuthig, daß ich Granada mit allen seinen Reizen verwünschte und fast wie eine Regung von Heimweh verspürte. Um mich zu zerstreuen, verließ ich meine unfreundliche Wohnung und vertiefte mich auf gut Glück in das Gassengewirr der Stadt. Ehe ich es dachte, befand ich mich am Eingange des schattigen Ulmenwaldes, welcher den Hügel der Alhambra auf zwei Seiten bedeckt und seit einer Reihe von Jahren in einen herrlichen, ewig frischen Park verwandelt worden ist. Das Plätschern der Fontainen, der Duft der blühenden Oleanderhecken, die aromatische erfrischende Luft verscheuchten schnell meinen Mißmuth und rasch stieg ich den breiten Sandweg hinan, der mich bald an ein Thor brachte, durch welches ich in das Innere der maurischen Veste gelangte. An der Brustwehr des Walles lehnend weidete ich mich an dem zauberischem Gemälde, das in jenen glühenden Tinten flammte, die blos die südliche Natur beim Untergang der Sonne zu entwickeln fähig ist. Wie eine glühende Stahlkrone leuchteten die Schneegipfel der Sierra Nevada an dem tiefblauem Himmel; ein durchsichtiger weicher Rosenduft lag über die zu Füßen ruhende Stadt und die üppigen Fluren der Vega ausgebreitet, die gen Westen von fernen, im heilstem Himmelblau prangenden Gebirgsketten umsäumt war, deren einzelne Felszacken, purpurn angehaucht, man trotz der weiten Ferne und der duftigen Beleuchtung so deutlich erkennen konnte, als wären sie blos wenige Stunden entfernt; die drei mächtigen Kegel der Sierra de Elvira, hinter denen die Sonne flammend versank, erschienen goldig umsäumt im dunkelstem Schwarzpurpur und warfen langgestreckte violette Schatten über die smaragdenen Gefilde von Santa Fé; Alles, Himmel und Erde, schwamm in einem Glorienmeer von Licht und schien sich flammend selbst verzehren zu wollen!
aus Moritz Willkomm: Zwei Jahre in Spanien und Portugal, 1847
Während Willkomm wegen seiner Wohnlage total verstimmt ist, bin ich mit meiner Unterkunft sehr glücklich. Ich habe eine ganze Wohnung, es hat viel Platz und es war in der Nacht sehr ruhig. Ich gehe am Morgen zur Touristeninformation und dann zum Bäcker, um für das Frühstück einzukaufen. Mit Küche und Kaffeemaschine brauche ich nicht auswärts essen zu gehen.
Heute ist eigentlich Ruhetag, aber ich spaziere trotzdem zur Alhambra hoch. Und wie Willkomm wandere ich auf den Hügel dahinter, vielleicht hat man dort eine schöne Aussicht. Ich kraxle zuerst einen undeutlichen Pfad hoch, der aber in einen besseren Weg mündet. Oben hat es Mauerreste einer Festung, die sind aber mit einem Zaun abgesperrt. Die Aussicht auf die Alhambra ist schön, und auch die Sierra Nevada sieht man gut. Vom Schnee, wie Willkomm ihn im Juli 1844 sah, ist aber um diese Jahreszeit nichts mehr zu sehen. Ich wandere in nördlicher Richtung, wo es nochmals einen Aussichtspunkt gibt. Obwohl es Wegspuren zur darunter liegenden Strasse gibt, wage ich den Abstieg nicht, zu steil sind die letzten zwei Meter, und von oben schlecht einsehbar.
So marschiere ich zurück auf den höchsten Punkt, von wo eine Piste auf der Hinterseite um den Berg herum führt. Ich komme auch an der Stelle vorbei, wo ich nicht abgestiegen bin, und bin bestätigt in meinem Entscheid. Das wäre nicht gut herausgekommen, die zwei Meter sind quasi senkrecht.
Nun geht es an der Alhambra vorbei, und ich wähle für den Rückweg die Carretera del Rey Chico, welche nach dem Abstieg dem Darro entlang zu meiner Unterkunft führt. Bei Luisitas kaufe ich Emanadas für das Mittagessen.