Wenigstens verliert sich die Straße wenige Lieus hinter dem genanntem Orte in ein enges Felsenthal und läuft einmal sogar eine lange Strecke durch eine vielfach gewundene, mitten durch die Felsen gesprengte Gallerie. Später wird das Land hüglig und verflacht sich allmälig mehr und mehr, bis es bei Meximieux, wo man die ziemlich breite Ain überschreitet, fast ganz eben wird, nur dann und wann von wellenförmigen Höhenzügen unterbrochen. Bei Sonnenaufgang gewahrte ich zu meiner Linken den ziemlich breiten Spiegel der von nun an ruhig dahin fließenden und schiffbaren Rhone, deren Bett von einer Unzahl flacher weidenbedeckter Sandinseln erfüllt ist. Zur Rechten zieht sich ein anmuthiger Höhenkamm hin, dessen Gipfel und Abhänge von grünenden Weingärten, Schlössern, Landgütern und Dörfern mit blendend weißgekalkten, flachgedeckten Häusern bekleidet sind. Ueberall standen die Obstbäume, die Roßkastanien und Pavien in voller Blüthe mit vollkommen entwickeltem Laub und das ganze Land zeigte sich im üppigstem Schmuck des Frühlings wie bei uns Ende Mai.
Spaß machten mir die eigenthümlichen Frachtfuhrwerke, welche hier wie in ganz Südfrankreich üblich sind. Es sind nämlich große zweirädrige Karren mit einer Plane und einer Gabeldeichsel, in der eins der ungeheuer starken, aber plump gebauten Pferde geht. Außerdem aber werden je nach dem Verhältnis; der Last noch drei, vier, ja fünf Pferde vorgespannt, aber einzeln, eins vor das andere, so daß von den vorderen Pferden eins das andere zieht und nicht den Karren, indem die Ziehstränge des vorausgehenden Pferdes an das Kummet des nachfolgenden befestigt sind. Die Kummete sind ebenfalls sehr eigenthümlich, nämlich sehr groß, von Holz, mit einem indigoblau gefärbtem Schaffelle bedeckt und haben zwei lange halbmondförmig nach auswärts gekrümmte Hörner, an deren Enden sich starke Ringe von grünem Glase befinden, durch welche die Leitstränge hin durchlaufen. Jedes Pferd trägt eine Glocke am Halse und so giebt es fortwährend ein entsetzliches unharmonisches Getöse.
aus Moritz Willkomm: Zwei Jahre in Spanien und Portugal, 1847
Von Bassy fährt man noch kurz auf der Strasse, ab Seyssel kann man dann den schönen, flachen und geteerten Radweg benutzen. Es ist ein sonniger Morgen ohne Wind, ich kann die Fahrt geniessen. Der Weg folgt der Rhone mit ihren verschiedenen Seitenarmen und kleinen Seen. In der Nähe von La Bruyère esse ich zu Mittag im La Voile Blanche. Nach Brégnier mache ich einen Abstecher zu den Wasserfällen von Glandier, wo das Wasser des Flüsschen Gland 60 m in die Tiefe stürzt. Bei Brangues komme ich am gleichnamigen Schloss vorbei, welches von 1927 bis 1955 im Besitz des französischen Dichters, Dramaturgen und Diplomaten Paul Claudel war. Er liegt dort begraben. Paul Claudel war der Bruder der Bildhauerin und Malerin Camille Claudel.
In Morestel kaufe ich Lebensmittel und fahre dann zu meiner Unterkunft in Passins. Gleich nach meiner Ankunft donnert es einige Male, aber damit ist es nach 10 Minuten wieder vorbei.
93 km 388 Hm